Liebes Tagebuch,
viel Zeit zum Einleben habe ich in Japan überhaupt nicht. Im Schnellverfahren musste ich das Personal hinter der Mannschaft und die Spieler kennenlernen – und was soll ich sagen. Bei vielen hier Beschäftigten habe ich das Gefühl, dass sie nicht so viel mehr über japanischen Fußball wissen als ich. Das wird ja eine spannende Sache, wenn es um das Finden von Neuzugängen geht.
Diese sind dringend nötig. Die Mannschaft ist gnadenlos überaltert und sehr unausgeglichen. Der Altersschnitt liegt bei über 28 Jahren. Es gibt vier Stürmer auf ordentlichem Niveau, aber außer einem 35 Jahren alten Linksverteidiger nichts für die Defensive. Bei allen drei Torhütern hatte ich direkt nach der ersten Trainingseinheit schon meine Bedenken.

Die Fans sind dagegen euphorisch. Der FC Gifu ist noch ein recht junger Club und wurde erst 2001 gegründet. Für viele Jahre spielte man trotzdem in der zweiten japanischen Liga, bevor es 2019 nach unten in die 3. Liga ging. Dort hängt man seitdem fest, will aber wieder nach oben. Ein Ziel für das nächste Jahr…
Erst mal musste ich dem Team in nur zwei Trainingseinheiten vermitteln, wie wir Fußball spielen wollen. Angesichts der Zusammensetzung des Kaders war klar. Das Heil kann nur in der Offensive gesucht werden: Früh Pressen und den Ball vom eigenen Tor fernhalten, diesen aber auch mal kontrollieren und länger in den eigenen Reihen halten.
Das klappte im ersten Spiel gegen YSCC Yokohama lange Zeit ausgesprochen gut – auch wenn wir mehrere hochkarätige Chancen vergaben. Zwei Standardsituationen erlösten uns. Durch einen Kopfball im Anschluss an eine Ecke sowie einen Elfmeter führten wir nach einer guten Stunde auswärts mit 2:0. Doch dann klappte gar nichts mehr, die Mannschaft erlaubte sich plötzlich Fehler um Fehler, der Ball wurde nicht mehr kontrolliert. Zum Glück blieb es nur beim Anschlusstreffer.

Ein 2:1-Sieg zum Auftakt ist aber ein vielversprechender Anfang. Gerade auf den sehr guten ersten 60 Minuten mit schönem Offensivfußball lässt sich aufbauen…
Ein Problem zeichnet sich aber schon ab: Es müssen zwei im Verein ausgebildete Spieler im Kader stehen. Wir haben gerade mal drei davon, von denen nur einer das nötige Niveau für zumindest einen Bankplatz mitbringt. Somit sind unsere Wechseloptionen begrenzt – und es ist ein Problem, welches sich auch nicht durch Transfers lösen lässt…